Krieg im Jemen: Das vergessene Leid im arabischen Armenhaus

Im Schatten des fürchterlichen und nie endenden Kriegs in Syrien, aus dessen Bürgerkrieg einer der Stellvertreterkrieg wurde, tobt ein weiterer Brandherd im Jemen, den die Welt vergessen hat, dessen Schicksal dem der Syrer ähnelt. Doch auch dort scheint ein Ende der Kämpfe nicht in Aussicht, vielmehr ist er dort noch weit weniger wahrscheinlich. Krieg ist keine Naturkatastrophe, es ist ein von Menschen stammendes Übel, eine humanitäre Tragödie. Und diese hat mehrere Gründe.

1. Kein Weg führt vorbei: Am Roten Meer neben Saudi-Arabien

Dass das Schicksal und Leid der syrischen Menschen, der geflüchteten insbesondere uns erreicht, liegt von allem an den Botschaftern des Krieges, zu denen viele Geflüchtete – allen voran die Kinder – geworden sind.

Das Gebiet Syriens erstreckt sich im Nahen Osten von der Türkei hin bis zum Irak, von Israel und Palästina bis hin zu Jordanien. All diese Nachbarstaaten nahmen im Laufe der Zeit des Bürgerkriegs viele Millionen Menschen auf, der Libanon alleine vier!

Den Menschen im Jemen allerdings bleibt jede Gelegenheit zur Flucht verwehrt. Ihr Land liegt im Süden des absolutistischen saudischen Königreiches, das seine Solidarität mit den arabischen Glaubensbrüdern auf seine ganz eigene Art auslegt. Im Osten findet sich der Oman, im Westen des Landes das Rote Meer und dahinter Eritrea und Somalia – keine Orte mit einer wirklichen Perspektive für die Zukunft.

2. Kampf der Stellvertreter, Kampf der Großmächte

Auch die Vergangenheit der jemenitischen Bevölkerung entbehrte jeder Hoffnung, jeder Perspektive für die jungen und verarmten Menschen.

Die Politik – eine von Korruption und vielfältigen Interessen geprägte – war zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als sich um die eigene Bevölkerung sorgen zu können.

Im Zuge des Arabischen Frühlings kam es schließlich im Jahre zum unfreiwilligen Rücktritt von Abdullah in Sanaa, bis dahin regierte der Diktator 34 Jahre das Land. Seitdem versuchen die von dem schiitisch geführten Iran unterstützen Huthi-Rebellen mit aller Macht, auch der der Waffengewalt an Einfluss zu gewinnen gegenüber den Schiiten, die mit den Hadi-Loyalisten jahrelang das Land regierten.

Mithilfe des Golf-Looperationsrat und vieler westlicher Militärpartner kämpfen die Truppen der jemenitischen Armee nun gegen die Huthi-Rebellen sowie die radikalen Salafisten der Daesh, die Truppen des sogenannten IS.

3. Islam ist nicht gleich Islam

Zunutze machen sich die beiden verfeindeten Großmächte des Nahen Osten – Iran und Saudi-Arabien – die beiden großen unterschiedlichen Konfessionen des Islam, den Schiismus und den Sunnismus. Dieser religiöse Dualismus prägt einen Religionskrieg, der in etwa vergleichbar ist mit dem Dreißigjährigen Krieg, dem Krieg der christlichen Konfessionen in Europa in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts.

Wie in all diesen Fällen verbindet die Religionen, die Menschen selbst, mehr, als dass sie voneinander trennt, doch nutzen die Unterschiede den fremden Mächten aus dem Ausland zum Kampf um die Vormacht im Nahen Osten.

4. Der Westen verdient am Krieg

In dieser Region hat der Westen viele Fehler gemacht, schon zu Beginn des zweiten Jahrtausends. Nach den fabelhaften Ideen der Kreuzzüge, des Kolonialismus, der wahrlosen Grenzziehungen, der Staatsstreiche und der völkerrechtswidrigen Kriege mancher Nationen der „westlichen Welt“ war nachhaltig für Chaos und die Wurzeln neuer Konflikte gesorgt.

Heute werden nicht nur die Kurden bewaffnet für den Kampf gegen die Daesh, sondern auch die fundamentalistischen Salafisten selbst, so auch von den Vereinigten Staaten. Aus den Fehlern, die Mudschaheddin in Afghanistan, die Taliban also, gegen die Russen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aufzurüsten, sind das Pentagon und das Weiße Haus also nicht schlauer geworden und so finanzierte man die salafitischen Gotteskrieger, um Assad, den Schlächter von Syrien, zu stürzen.

Mittlerweile verdienen westliche Rüstungskonzerne wieder eine Menge Geld mit den Waffen für den komplexen und multipolaren Kampf in Syrien und dem Irak wie auch im Jemen. Dort ist neben den USA und Großbritannien auch Frankreich im Kampf vertreten. Im Schatten der durch fehlende Solidarität in Europa geschaffenen „Flüchtlingskrise“ und dem Krieg in Syrien, in dem heute kaum noch jemand einen Überblick hat, doch jeder seine Interessen.

5. Der IS – ein Geschwür im Nahen Osten

Nicht zuletzt finden sich die Daesh wieder im Kampf um die arabische Welt. Im Wahn dieser religiösen Hightech-Neandertaler, ein Kalifat nach ihren Vorstellungen zu errichten, schließen sie den Kampf gegen den schiitisch und damit verfeindeten, weil in ihren Augen ungläubigen Iran nicht aus und auch nicht gegen die sunnitischen Glaubensbrüder aus Saudi-Arabien und den anderen arabischen Golfstaaten.

Trotz der Tatsache, kein zusammenhängendes Gebiet durch ihre Kriegs- und Expansionspolitik zu schaffen, führen die Truppen des Daesh nicht nur Krieg in Syrien und dem Irak, auch in Afghanistan, in Libyen und dem Jemen. So träumen die Gotteskrieger wohl von einem multipolaren Vielfrontenkrieg gegen Alles und Jeden.

Wie ein Krebsgeschwür hat sich dieses unmenschliche, zerstückelte Kalifat im Nahen Osten verbreitet und mit ihm der Terror.

Das beste Mittel gegen diesen Terror ist immer noch Bildung. Denn dort, wo Bildung herrscht, gibt es Hoffnung auf Zukunft.

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